Österreich wurde seiner Favoritenrolle im zweiten Song-Contest-Semifinale gerecht. Bei „Who The Hell Is Edgar“ stimmt einfach vieles. Auch der Gesang von Teya und Salena. Und das ist bei diesem Lied wahrlich keine einfache Aufgabe.
Es war ein nur wenige Jahre andauernder Semifinal-Fluch, der am Donnerstag sein Ende gefunden hat. Österreich darf erstmals seit 2018 (Cesár Sampson) wieder an einem Eurovision-Song-Contest-Finale (Samstag, 21 Uhr) teilnehmen. Das Duo Teya & Salena hat beim Halbfinale in Liverpool alles richtig gemacht und den Song „Who The Hell Is Edgar?“ hervorragend über die Bühne gebracht. Einwandfrei gesungen - und die beiden hatten bei ihrer Performance offensichtlich Spaß. Zwei Dinge, die letztes Jahr (Pia Maria und DJ Lumix mit „Halo") trotz ebenfalls gutem Lied (das zeigen die Streaming-Zahlen) leider fehlten. Wobei eines das andere vermutlich bedingte...
Aber das letzte Jahr ist abgehakt. Dieses Jahr sind Teya und Salena sogar als Wettquotenfavoriten ins Halbfinale gegangen. Wer auf einen Aufstieg der beiden ins Finale wettete, konnte nicht viel gewinnen. Denn die beiden überzeugten schon bei den Proben mit ihrer Bühnenenergie und ihrer Performance. Das Lied selbst erledigt den Rest. Treibende Beats, wiedererkennbare Mitsing-Teile - samt guter Story und Botschaft: Den Kampf als Musikerin im Business überhaupt wahrgenommen zu werden, dass sich Frauen immer härter beweisen müssen als Männer, um ernst genommen zu werden. Und alle Zweifler, die mit Blick auf letztes Jahr mahnten, dass dieser Song live nicht singbar sei - wurden eines Besseren belehrt. Es ist faszinierend, den beiden einzeln gesanglich zu folgen. Wer wechselt etwa von der Hauptstimme in den Chor - und wann? Von „Poe Poe Poe“ zu „O Mio Padre“ - einmal Hauptstimme, einmal gleichberechtigte Nebenstimme. Teya und Salena bringen jede Menge Gespür mit, wie sie ihre Stimme in den Harmonien einfügen müssen.
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Backingvocals dürfen auch heuer vom Band kommen
Für Regel-Experten: Seit Covid-19 dürfen Backingvocals auch vom Playback kommen. Nur die Leadvocals müssen live gesungen werden - bzw. „wesentliche“ Gesangsstimmen. Da kommt bei „Who The Hell Is Edgar“ durchaus Etliches vom Band - aber die Solostimmen sind bei Teya und Salena transparent zu verfolgen und fügten sich perfekt in die Musikproduktion ein. Hier wird sich nicht hinter dem Track versteckt. Und großartige Stimmen haben beide, das zeigen sie in den kurzen Solo-Passagen gegen Ende.
Nun dürfen sich die beiden jungen Musikerinnen auf die Zugabe im Finale freuen. Denn der größte Druck ist weg. Ein Top-Ten-Platz ist drinnen, aber im Grunde ist das zweitrangig. Für den Sieg kommen wohl eher Schweden und Finnland infrage. Aber eine Überraschung ist immer möglich. Dass beim Finale wieder die Jury mitstimmt (gemeinsam mit dem Publikum) könnte dem Duo aus Österreich eher wesentliche Punkte kosten. Die Jurys setzen gerne auf weniger Schnelles.
Das Falsett-Gemetzel
Wie man ein Lied mit Potenzial fürs Radio eindrucksvoll in den Sand setzt, das hat heuer Dänemark erledigt. Der 20-jährige Reiley hat größte Mühe, die hauchigen Falsetttöne und seine übersprühende Energie in Einklang mit der Melodie zu bringen. Und vergab damit eventuell seinen Finalaufstieg. Überhaupt war es ein Tag der Herren mit wackeligem Falsettgesang. Das ist dieses höhere Gesangsregister (manchmal auch als Kopfstimme bezeichnet). Da scheiterten einige Kandidaten daran, die soften Töne in den unteren Bereichen des Falsetts sicher über die Bühne zu bringen. Immer ein Risiko. Siehe Rumänien (ausgeschieden), siehe Zypern (im Finale).
Ansonsten war es in der ersten Hälfte des Semifinales ein Abend der Pastelltöne. Sowohl was Outfit betrifft, als auch das Tempo. Da war viel verhalten-verträumter Pop dabei. Tiktok-Posen und liegende Diven. Polen setzte auf Sommerliches, doch Blanka wirkte abseits des Tanz-Teils wenig motiviert darauf, am Samstag noch einmal auf die Bühne zu gehen. Schaffte es aber dennoch ins Finale. Richtig Power zeigten neben Österreich vor allem die stimmgewaltige Sängerinnen aus Island und Georgien, deren energievoller Auftritt allerdings unbelohnt blieb. Für die Bands aus Slowenien (Joker Out: Carpe Diem) und Australien lief es besser, beide dürfen am Samstag noch einmal ihren Song präsentieren. Voyager aus Australien sorgten für einen wirklich lauten, rockigen, hymnischen Schlusspunkt mit „Promise“. Auf Australien war auch heuer wieder Verlass. Die Überraschung des Abends war Albanien. Balkan-Streicher, heulender Gesang, treibender Beat. Gehört zum Songcontest wie Windmaschine. Wirkt aus der Zeit gefallen, aber zeigt, dass im Finale durchaus Bandbreite gewünscht wird.
Am Samstag erwartet den geneigten Song-Contest-Fan also eine bunte Musik-Mischung. Am Favoritenkreis hat sich wenig geändert. Die „Big Five“ und Titelverteidiger Ukraine wollen aber auch noch mitmischen. Und da gibt es noch einige musikalische Highlights zu entdecken. Traditionell aber mit dem Nachteil, dass ihre Konkurrenz in den Halbfinali schon eine treue Fangemeinde aufbauen konnte.
Ins Finale aufgestiegen sind:
Albanien
Albina & Familja Kelmendi: Duje
Zypern
Andrew Lambrou: Break A Broken Heart
Estland
Alika: Bridges
Österreich
Teya & Salena: Who The Hell Is Edgar?
Litauen
Monika Linkytė: Stay
Belgien
Gustaph: Because Of You
Polen
Blanka: Solo
Australien
Voyager: Promise
Armenien
Brunette: Future Lover
Slowenien
Joker Out: Carpe Diem
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